"Beim Blick auf die Bedarfe ist ein Sportentwicklungsplan für Mainz überfällig“

07. März 2023

Kurz vor der Stichwahl zum Mainzer Oberbürgermeister lud der Sportbund Rheinhessen in den Sitzungssaal der Geschäftsstelle des TSV SCHOTT Mainz zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit den beiden Stichwahlkandidaten, um vor Ort und online ihre Standpunkte zum Sport in der Landeshauptstadt abzuklopfen. Begleitet wurde die Diskussion von in einem Livestream durch den Offenen Kanal Mainz, der auch im Nachgang zur Veranstaltung weiter zum erneuten Anschauen zur Verfügung steht. Christian Viering (Bündnis 90/Die Grünen) und Nino Haase (parteilos) standen dabei in vier Themenblöcken Rede und Antwort zur Zukunft des Mainzer Sports. Die Nutzung und Verfügbarkeit von Sportstätten, die Energiekrise, Sport und Geflüchtete sowie die generelle Sportentwicklung waren dabei unter anderem Themen der 90-minütigen Debatte. Dazu hatten die Mainzer Vereine eine lange Liste an Fragen im Vorfeld eingegeben.

„Wir mussten während der Corona-Pandemie die Beiträge um 20 Prozent erhöhen“

„Leider war das Thema Sport im Wahlkampf nie aufgeschlagen. Deshalb haben wir die Gelegenheit genutzt, beiden Kandidaten Fragen zum Sport zu stellen und vor allen Dingen, was wir vom neuen Oberbürgermeister der Stadt Mainz erwarten dürfen, oder eben auch nicht“, eröffnete Sportbund Rheinhessen Präsident Klaus Kuhn die Veranstaltung und leitete dabei mit offenen Worten direkt zum erstem Diskussionspunkt, Sport in der Krise, über. Moderator des Abends und Vorstand des Sportbundes Rheinhessen, Thorsten Richter, bat dazu mit Till Pleuger den geschäftsführenden Manager des TSV SCHOTT Mainz aufs Podium. „Wir mussten während der Corona-Pandemie die Beiträge um 20 Prozent erhöhen. Nun sind mit gestiegenen Energiekosten und der Inflation weitere Kostentreiber auf uns zugekommen, auf die wir nicht reagieren können. Denn wir können die Beiträge nicht schon wieder erhöhen“, schilderte Pleuger unumwunden die akute Problematik, von der nicht nur der TSV SCHOTT, sondern auch die gesamte Sportlandschaft betroffen ist. 

„Und das ist natürlich ein Thema, bei dem die Stadt Mainz unterstützen muss“

„Ich habe mich in den letzten Monaten viel mit Vereinen, Mitgliedern und Präsidenten unterhalten. Und bei den Hilfsprogrammen zur Energie wurde mir auch mitgeteilt, dass es gar nicht so einfach ist, diese abzurufen. In Mainz passiert es zu oft, dass wir eine Maßnahme festlegen, aber niemand mehr schaut und nachfragt, ob und wie die Gelder abgerufen werden. Und genau das ist es, was man als Oberbürgermeister machen muss. Die Organisation so hinzubringen, dass Ziele festgelegt und Reportings erstellt werden, sodass der Fonds auch abgerufen werden kann“, erläuterte der 39-jährige Haase bereits erste Aufgaben für sein neues Amt. Gegenkandidat Christian Viering wies bei neuen Programmen darauf hin, dass Energiegewinnung bei Sporthallen und Sportanlagen mitgedacht werden muss. „Und das ist natürlich ein Thema, bei dem die Stadt Mainz unterstützen muss“, bestätigte der Wahl-Mainzer Viering die Forderungen zur Unterstützung der Sportvereine. 

„Das Thema Energiekrise ist keines, das einmal kommt und wieder vorbei ist“

Forderungen und Wünsche bekräftigte ebenfalls Till Pleuger: „Unser Wunsch und Ziel ist mehr Unterstützung, um dauerhaft Betriebskosten senken zu können. Die Stadt Mainz hat mit uns auch bereits ein Modellprojekt ins Leben gerufen, wo beispielhaft am TSV SCHOTT Mainz versucht wird, Energie einzusparen und Nachhaltigkeitsthemen mitzudenken. Doch diese Maßnahmen werden ihre Zeit brauchen, weshalb wir schnell und unbürokratisch Hilfe benötigen“. Diese unbürokratische Hilfe könnte durch eine Sportförderrichtline gelingen. „Ich würde mir eine Sportförderrichtlinie für die Stadt Mainz wünschen“, erwidert der parteilose Haase den Wunsch des TSV SCHOTT. „Denn das Thema Energiekrise ist keines, das einmal kommt und wieder vorbei ist.“ 

„Freitag um 11:00 Uhr bekam ich die E-Mail, dass die Halle ab Samstag für den Sport gesperrt wurde“

Ein ebenfalls bleibendes Thema sind Geflüchtete und Sport. Dabei stellte Richter klar, „dass wir sehr gern und sehr schnell Geflüchtete integrieren. Das geht allerdings am besten durch Sport, aber nicht, wenn die Sporthallen geschlossen sind.“ Von geschlossenen Sporthallen war auch die TSG Mainz-Drais betroffen. Prof. Dr. Dirk Lorenz, 1. Vorsitzender des Klubs, schilderte als Gast der Podiumsdiskussion den Verlauf der Schließung der genutzten Sporthalle: „Freitag um 11:00 Uhr bekam ich die E-Mail, dass die Halle ab Samstag für den Sport gesperrt wurde. Das ist ein Schlag, den bekommen Sie nicht organisiert. Man kann so schnell gar nicht reagieren, wir sind alle im Ehrenamt tätig.“ Nino Haase, auch ehemaliger Spieler des Rugby Clubs Mainz, sieht damit jedoch nicht nur ein Problem der Schließung der Sportstätte, sondern auch der Kommunikation der Vereine: „In solchen Situationen entstehen dann auch Konflikte zwischen den Vereinen. Doch dabei ist es die klare Aufgabe der Stadt, die Kommunikation zu übernehmen, nicht die Aufgabe der Vereine. Das muss die Stadt übernehmen und darf nicht abgegeben werden.“

„Hier müssen wir ins Handeln und in die Umsetzung kommen“

Eine weitere Aufgabe der Stadt ist ebenfalls seit vielen Jahren der Bau der Großsporthalle. Denn „jeder dritte Bürger in Mainz ist in einem Sportverein. Das Angebot unserer Vereine ist so vielfältig, dass unsere Vereine hier in Mainz nicht nur Breitensport, sondern auch Leistungssport anbieten. Gerade im Leistungssport hilft die Großsporthalle natürlich. Doch wir haben eine ganze Menge an Breiten- und Freizeitsportlern und da fehlt es mir an einer ganzen Menge an Angeboten“, leitet Klaus Kuhn die Frage an beide Kandidaten weiter, wie sie zu einer Großsporthalle stehen. Dringenden Handlungsbedarf sehen sowohl Viering als auch Haase. „Natürlich brauchen wir viel mehr Hallen. Wir haben pro Kopf in Mainz einfach viel zu wenig Sporthallen. Und auch bei den Sportplätzen gibt es Bedarf“, bejaht Haase die These von Klaus Kuhn. Und auch Christian Viering sichert Hilfe bei der Großsporthalle zu: „Die Unterstützung für eine Großsporthalle ist auf jeden Fall da. Leider ist es bislang immer an der Umsetzung gescheitert, vor allem am Geld. Nun sind wir zum Glück in der Situation, dass wir uns auf den Weg machen können. Hier müssen wir ins Handeln und in die Umsetzung kommen.“

„Die Sportverwaltung in Mainz ist quantitativ schwachbrüstig aufgestellt“

Als letzten Diskussionspunkt bot der Sportbund Rheinhessen Vereinen die Möglichkeit, Fragen einzusenden, die beiden Kandidaten gestellt werden. Heiß diskutiert wurde dabei insbesondere die Eislaufhalle, die seit Jahren in einem sanierungsbedürftigem Zustand ist. Ebenfalls das Sportzentrum Ried, das u.a. vom SAV und TV Laubenheim genutzt wird. Dabei können allerdings kurzfristige Lösungen nicht geschafft werden, sondern bedarf es struktureller Lösungen. „Es ist in den letzten Jahren von der Stadtspitze komplett versäumt worden, für Personalaufbau zu werben. Wir sind komplett hinten dran. Und das ist das, was ich ändern möchte“, so Haase, der die Sportverwaltung in der Stadt Mainz für „quantitativ schwachbrüstig aufgestellt“ sieht. Nicht zuletzt gilt es deshalb dem „Personalmangel in der Verwaltung entgegenzuwirken. Wir sind an einem Punkt, dass wir unsere Planungen, selbst wenn die Gelder da sind, nicht mehr umgesetzt werden können. Die große Aufgabe des OB wird sein, Verwaltung personell so aufzustellen oder so attraktiv zu machen, dass wir sie personell gut besetzen können. Das ist das moderne Aufstellen einer Verwaltung.“ Dies sei auch mit der Grund, weshalb die designierte Stadtspitze den Sport perspektivisch beim Amt des Oberbürgermeister sieht: „Ich persönlich sehe den Sport als eine der diversesten Querschnittsaufgaben, die wir in der Stadt haben. Wir reden von Bau, Soziales, Öffentlichkeitsarbeit. Und ich könnte mir schon vorstellen, dass das ein Amt ist, das perspektivisch Richtung OB gehen sollte.“